Faustlos

Was ist FAUSTLOS?


FAUSTLOS ist ein ausgearbeitetes Programm zu Gewaltprävention. Es wurde von Professor Manfred Cierpka am Heidelberger Präventionszentrum (HPZ) in
Zusammenarbeit mit amerikanischen Wissenschaftlern in vielen Jahren erarbeitet und erprobt. Es fördert die sozialen und emotionalen Kompetenzen der Kinder.

Lange wurde angenommen, der soziale Umgang miteinander müsste nicht
besonders gelernt werden; dies wurde als selbstverständlich vorausgesetzt. Doch leider ist das nicht der Fall. FAUSTLOS unterscheidet sich von anderen
Konzepten der Gewaltprävention, dass nicht punktuell angesetzt wird und im
Block innerhalb von 3-5 Tagen der „richtige“ Umgang miteinander trainiert wird.
FAUSTLOS bietet ein Langzeitcurriculum, das die Kinder vom Kindergarten an über die Grundschule und die Sekundarschule begleiten kann.

Wie sieht der FAUSTLOS-Unterricht an der Grundschule St. Blasien aus?


Alle Klassen erhalten eine Stunde FAUSTLOS in der Woche, die fest im Stundenplan verankert ist. In 3 verschiedenen Curriculums-Jahrgängen, die auf das Alter der Kinder abgestimmt sind, lernen sie zunächst anhand von Bildsituationen sich in andere hinein zu versetzen (Empathie) und durch Mimik und Körpersprache zu erkennen, in welcher Gemütsverfassung sich die betreffenden Personen befinden. Im nächsten Schritt, der Impulskontrolle lernen sie, dass es verschiedene Arten gibt, auf Konflikte zu reagieren. Normalerweise handelt jeder nach seinem individuellen Reaktionsmuster und schuld sind immer die anderen. Diese Situation wird nun genauer betrachtet.


Um das Problem zu lösen, wird in 5 Schritten vorgegangen:

1. Das Problem wird konkret bestimmt und benannt – nicht nur vermutet.

2. Vielfältige Lösungswege werden gesucht. Hier ist Kreativität gefragt und die Meinungen von über 20 Kindern enthalten viele neue Möglichkeiten!

3. Jeder Lösungsvorschlag wird nun geprüft:

  • Ist er ungefährlich?
  • Wie fühlen sich die anderen dabei?
  • Ist er fair?
  • Wird er funktionieren?

4. Eine der Lösungen wird nun ausgewählt und erprobt.
5. Hat diese Lösung funktioniert? Wenn nicht, wird geprüft, warum sie fehlgeschlagen ist und welche Alternativen es gibt.

Im letzten Schritt steht der Umgang mit Ärger und Wut auf dem Programm. Gerade wenn man wütend ist, neigt man zu Kurzschlusshandlungen, die
die Probleme eher verschärfen als lösen. Deshalb braucht man zuerst eine höhere Sensibilität sich selbst gegenüber. Das eigene Körperempfinden muss geschult werden, um die kleinen Vorboten einer großen Wut rechtzeitig zu bemerken. So könnte man einen Wutausbruch vielleicht vorher abfangen oder umlenken.
Ist man aber so richtig in Rage, braucht es erst eine Phase der Beruhigung, bevor ein spontaner Wutausbruch die ganze Sache verschlimmert. Mit den Kindern werden nun verschiedene Möglichkeiten erarbeitet, wie man sich am besten beruhigen kann. Dabei lernen sie, dass nicht jedem das Gleiche gut tut.


Wann kommt im Alltag FAUSTLOS zum Einsatz?


Leider ist es ja nicht so, dass theoretisches Wissen allein Konflikte gar nicht aufkommen lässt! Auch in unserer Grundschule gibt es im Zusammenleben
täglich größere und kleinere Probleme. Das normal-üblich und erwartete Schema sieht ja so aus:

Klage beim Lehrer über einen Mitschüler
Klärung: Wer ist der Schuldige
Konsequenz in Form einer Strafe oder Sanktion (und Freude beim Ankläger)

Wendet man das Konzept von FAUSTLOS an, geht es darum, die streitenden Kinder miteinander ins Gespräch zu bringen. In Form einer Ich –Botschaft soll
Rückmeldung gegeben werden, wie man sich nach dieser Attacke fühlt. Also nicht: „Der hat mich geschlagen“.... „der hat aber auch“... „der hat angefangen“....,
sondern z. B. „Ich bin wütend auf dich. Mir tut mein Kopf weh! Warum hast du mich geschlagen?“ Jeder muss den anderen ausreden lassen, jeder muss sich
alles unter der Aufsicht des Lehrers anhören. Der Lehrer ist nicht mehr Schiedsrichter und Urteilsverkünder, sondern der Vermittler, der die beiden ins Gespräch bringt. So kam schon manches Mal heraus, dass hinter einer körperlichen Attacke der Wunsch nach Beachtung und Anerkennung stand.


Wie lernen Schüler ihre Konflikte friedlich zu lösen?


Im FAUSTLOS-Unterricht hält sich der Lehrer an die Bildsituationen, die zu den Lehrplaneinheiten vorgesehen sind. An diesen Beispielen wird in Rollenspielen geübt. Das hat den Vorteil, dass kein Kind der Klasse als das “böse“ oder das „gute Kind“ abgestempelt wird. Dabei geht es vor allem um das erwünschte positive Verhalten. Im normalen Schulalltag bekommen die negativ auffälligen Kindern automatisch mehr Beachtung, da sie vor allem die Konflikte verursachen, die vom Lehrer gelöst werden sollen. Bei FAUSTLOS kommen vermehrt diejenigen Kinder zum Zug, die friedlich reagieren und positive Lösungen suchen. So wird positives Verhalten bewusst verstärkt.

Konflikte, die Kinder miteinander haben, werden nicht vor der Klasse als Schiedsgericht verhandelt, sondern mit den Betroffenen selbst – unter vier, bzw. sechs Augen.


Welche Möglichkeiten stehen Eltern, Lehrern und Schülern zur Verfügung, um Gewalt zu erkennen und zu unterbinden?


Empfehlenswert für Eltern und Lehrer ist das Buch von Manfred Cierpka:
"FAUSTLOS – wie Kinder Konflikte gewaltfrei lösen lernen", erschienen als Taschenbuch im Herder-Verlag. Informieren über das FAUSTLOS-Konzept kann man sich auch im Internet unter www.faustlos.de

Im Alltag ist es für jeden wichtig, ein Gespür für sich und andere zu entwickeln, um rechtzeitig eingreifen oder vorbauen zu können. Außerdem muss unterschieden werden, ob es sich bei einer Rauferei um „freundschaftliches“ Kräftemessen handelt oder um einen Kampf.

Eltern und Lehrer sollten ihre eigenen Reaktionsmuster überprüfen, denn ihr Handeln ist immer Vorbild für die Kinder. Sie sollten unterscheiden lernen, welche Konflikte sie ohne Hilfe lösen können und wo ein Erwachsenen gebraucht wird.

Gefühle wie Zorn und Wut dürfen nicht verteufelt werden, manchmal sind sie absolut berechtigt, doch sie dürfen nicht zum Anlass genommen werden, andere zu verletzen.


Fazit


Seit der Einführung von FAUSTLOS an unserer Grundschule hat sich die Atmosphäre untereinander wesentlich verbessert. Der Umgang mit Konflikten ist anders geworden und positives Verhalten wird deutlich aufgewertet.