„Die wichtige Erfahrung fehlt den Schülern“

B Z - INT E R V I EW mit Susanne Schwer, der Schulleiterin der Fürstabt-Gerbert-Schule St. Blasien, über die Schwierigkeiten bei der Berufsorientierung in der Corona-Krise

Groß ist dieAuswahl an Berufen, die Schülerinnen und Schüler nach ihrem Schulabschluss erlernen können. Doch welche Berufe gibt es, wer bildet wo aus, wie sind die Zukunftschancen? Viel Aufwand betreibt die Fürstabt-Gerbert-Schule deshalb, um den Schülern bei der Berufswahl und Ausbildungsplatzsuche zu helfen. Doch seit einem Jahr herrscht die Corona-Pandemie. Wie sieht es mit Infoabenden, dem Besuch von Betrieben oder Praktika aus? Darüber hat Schulleiterin Susanne Schwer mit Sebastian Barthmes gesprochen.

 

BZ: Viele Unternehmen präsentieren sich seit vielen Jahren immer im Januar beim Berufsinformationsabend, den die Schule ausrichtet. An dem Abend gab es aber nicht nur Infos zu Berufen, sondern auch manchmal die Verabredung eines Praktikums. In diesem Jahr ging das nicht. Fällt die Hilfe bei der Ausbildungswahl für einen Jahrgang komplett aus?

Schwer: Das ist echt ein Problem. Auch die jetzigen Zehner konnten nicht mehr das ganze Programm absolvieren. Ich mache das jetzt im Fernunterricht. Aber Hilfe bei der Ausbildungsplatzsuche ist etwas sehr Individuelles, im direkten Gespräch funktioniert das viel besser. Jetzt fehlt die Beziehungsebene.

BZ: Welche Angebote macht die Schule den Schülerinnen und Schülern in einem normalen Jahr?

Schwer: Außer dem Berufsinfoabend gibt es zum Beispiel das Bewerbungstraining bei der Sparkasse, den Besuch der Lehrwerkstatt bei Aebi, Vorstellungsgespräche mit Profis oder Betriebsbesichtigungen. Auch die Agentur für Arbeit ist regelmäßig im Haus. Es soll auch eine Information über soziale Berufe mit der Caritas geben. Und natürlich auch Betriebspraktika, die eigentlich immer in dieser Zeit stattfinden. Wir haben sie auf Juni verschoben und hoffen, dass sie stattfinden können.

BZ: Kann zumindest ein Teil des Angebotes online stattfinden?

Schwer: Die Bewerbungsmappe zum Beispiel, die auch zum festen Programm gehört, erstellen die Schüler in diesem Jahr online. Auch das Schulamt, die Agentur für Arbeit und auch einzelne Unternehmen bieten Onlinehilfen an. Einige Betriebe haben zumBeispiel kleine Filme gedreht, in denen sie sich und bei ihnen angebotene Ausbildungen vorstellen. Wir bekommen auch Stellenanzeigen, die wir an die Schüler weitergeben. Ich hatte den Betrieben auch angeboten, dass sie sich per Live-Chat präsentieren, sogar an einen digitalen Berufsinfoabend haben wir gedacht. Aber das Konzept lebt von der persönlichen Begegnung. Es ist ein Unterschied, ob man direkt im Betrieb miteinander ins Gespräch kommt oder ob man am Computer sitzt und sich informiert.

BZ: Wann wird wohl wieder ein direkter Kontakt zwischen Schülern und Bildungspartnern möglich sein?

Schwer: Ich hoffe, ganz bald. Es hängt auch vomHygienekonzept der Unternehmen, von deren Bereitschaft und natürlich von der Gesamtsituation ab.

BZ: Die Hilfe bei der Berufswahl ist der Schule sehr wichtig. Was bringt sie den Schülern konkret? Und haben die Jugendlichen in diesem Jahr einen Nachteil?

Schwer: Ich glaube schon. Es tut weh, wenn man so etwas sagen muss. Es gibt Kinder, die nicht wissen, was sie werden wollen. Der Berufsinfoabend bietet zumindest einen kleinen Einblick. Die wichtige Erfahrung fehlt den Neuntklässlern jetzt. Auch die Übung von Vorstellungsgesprächen ist sehr wichtig. Die Schülerwissen dann ungefähr,was auf sie zukommt, und das gibt ihnen Sicherheit. „Es ist ein Unterschied, ob man direkt ins Gespräch kommt oder ob man am Computer sitzt.“ Manchmal sieht man es einem Schüler an, dass er orientierungslos ist. Dann muss man ihn eben an die Hand nehmen. Die derzeitige Situation ist total unbefriedigend.

BZ: DieHilfe bei der Orientierung ist eine Sache. Wie sieht es aber bei den Unternehmen aus, werden auch in dieser Zeit ausreichend viele Ausbildungsplätze angeboten? Schwer: Negative Signale habe ich noch keine bekommen. Ich freue mich über jedes Stellengesuch, das ich weitergeben kann. Es gibt Branchen, die gut durch die Krise kommen, andere beutelt es enorm. Ob es für die betroffenen Unternehmen jetzt oberste Priorität hat, mit der Schule zu kooperieren, weiß ich nicht. Wir werden mit den Bildungspartnern sprechen und unter Umständen das Programm neu aufsetzen, damit es passt. Mein Wunsch ist es aber, dass das Interesse der Firmen an unseren jungenMenschen bestehen bleibt.

BZ: Immer wieder hört man, die Corona-Krise beschleunige Veränderungen in der Arbeitswelt. Wie könnte sich das auf die Schule und ihre Hilfe bei der Berufsorientierung auswirken?

Schwer: Klar, wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, ob die Schule nach den Erfahrungen mit Homeoffice den Schülern neue Fertigkeiten für einen Arbeitsplatz nach Corona vermitteln muss.


Susanne Schwer ist seit November 2016 Schulleiterin der Fürstabt-Gerbert-Schule.