Das Landleben hat viele Vorteile

Neunt- und Zehntklässler setzen sich mit den Lebensbedingungen abseits der Städte auseinander und benennen nötige Verbesserungen

ST. BLASIEN. Wie stellen sich junge Menschen ihre Zukunft vor, wo wollen sie leben? Ist der ländliche Raumfür sie attraktiv, oder was müsste sich ändern, damit er es wird? Darüber haben sich Schülerinnen und Schüler der Fürstabt-Gerbert-Schule Gedanken gemacht. Das Schulprojekt war in das Leader-Pilotprojekt „Mit - statt über - Euch reden“ eingebunden. Die Anregungen und Erkenntnisse aus St. Blasien werden auch in eine wissenschaftliche Arbeit einfließen.

Die Leader-Aktionsgruppe Südschwarzwald, zu der Gemeinden aus fünf Landkreisen gehören, möchte auch in der nächsten Förderphase bis 2027 Leader-Region bleiben. Dabei geht es um ein EUFörderprogramm für den ländlichen Raum. Ein Schwerpunkt der Bewerbung soll eine Jugendstrategie bilden. „Wenn wir die erarbeiten wollen, müssen wir auch mit Jugendlichen arbeiten“, sagt Udo Wenzel aus Waldkirch, der im Auftrag der im Landratsamt Waldshut ansässigen Leader-Geschäftsstelle unter anderem Schulen besucht.

Begleitet wird Wenzel dabei von Jan Gruß von der Hochschule Furtwangen, die ein Forschungsprojekt zumThema Digitalisierung und Teilhabe betreibt.

Möglichst viele der älteren Jugendlichen sollen erreicht werden, sagt Wenzel, der an verschiedenen Orten Gruppendiskussionen mit wissenschaftlicher Unterstützung moderiert. Auch in St. Blasien hat er im Anschluss an die Gruppenarbeit der Neunt- und Zehntklässler einige Freiwillige interviewt. Die Aufnahmen, wie überhaupt alle Erkenntnisse, werden ausgewertet, bevor sie schließlich in eine wissenschaftliche Arbeit einfließen, die auch der Landesregierung vorgelegt werden soll. „Ihr könnt euch hier wirklich einbringen und mitentscheiden“, sagte er den Schülerinnen und Schülern.

Jugendliche einzubeziehen, wenn es um ihre Belange geht, sei gesetzlich vorgeschrieben, erläuterte Wenzel. Noch werde das in Baden-Württemberg häufig
nicht in ausreichendem Maße getan. An dem Vormittag sollten sich die Jugendlichen also Gedanken darüber machen, wie sie mitreden und mitentscheiden wollen, welche Anforderungen sie an ein Leben auf dem Land stellen und wie sie sich ihr Leben in einem Jahrzehnt vorstellen.

Ernsthaft und auch selbstkritisch setzten sich die jungen Leutemit den Themen auseinander. Sie regten beispielsweise eine Umfrage unter Jugendlichen zum
Thema Mitwirkung an. Gleichzeitig äußerten sie aber auch die Sorge, etliche ihrer Altersgenossinnen und -genossen könnten das Thema nicht ernstnehmen. Auch die Aussicht, imAlter von 16 Jahren an Landtagswahlen teilnehmen zu können, sahen die Schülerinnen und Schüler differenziert. Sie haben eineMeinung und wollen die zu Gehör bringen und auch in der Politik vertreten wissen, sagten sie.

Weil man eventuell aber noch nicht ganz so erfahren sei, könnte man vielleicht einen Zwischenweg wählen: Ihre Meinung sollte zwar gehört werden, vielleicht sollten sie aber mit 16 „noch nicht richtig wählen“, gab eine Schülerin die Diskussion in ihrer Gruppe wider.

Von mehreren Seiten betrachteten die jungen Leute auch das Thema Digitalisierung. Die sei nicht ausschließlich positiv zu sehen, sagten sie vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen mit Homeschooling. Die Infrastruktur müsse aber dringend verbessert werden und für die älteren Menschen müsse der Zugang zu digitalen Angeboten, beispielsweise der Kommune, einfacher gemacht werden. Das Smartphone gehöre zwar zum Alltag, das gesellschaftliche Miteinander außerhalb des digitalen Raumes müsse man aber pflegen.

Nachteile eines Lebens auf dem Land fielen den Mädchen und Jungen viele ein. Dennoch sehen sie ihre Zukunft überwiegend genau dort.

Die nötigen Verbesserungen sind bekannt: Der öffentliche Nahverkehr müsse ausgebautwerden, der Lifestyle, so ein Jugendlicher, hochwertiger sein. Und  Einkaufsmöglichkeiten müssen in Wohnortnähe erhalten bleiben. Natur und Ruhe, Sicherheit und günstiger Wohnraum sehen sie aber als große Vorteile für das Leben auf dem Land.

„Ihr habt die Chance, dass eure Meinungen in ein Forschungsprojekt einfließen, dessen Ergebnisse der Landesregierung vorgelegt werden“, sagte Schulleiterin Susanne Schwer. Und einige der Schüler der Fürstabt-Gerbert-Schule werden beim Jugenddialog am 22. November mit Politikerinnen und Politikern, zum Beispiel Waldshuts Landrat Martin Kistler, diskutieren und ihre Meinung deutlich formulieren können.